Von verkehrsberuhigten Zonen in Innenstädten profitiert auch der Einzelhandel.
Gelungene Verkehrswende am Times Square in New York: mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, mehr Grün, mehr Sitzgelegenheiten und mehr Kundschaft für den Einzelhandel.
Illustration: Gamma.AI

Stadtplanung: Verkehrswende bringt Kaufkraft

22.05.2025

Die Annahme, weniger Individualverkehr in Innenstädten bedeutet automatisch weniger Kundschaft, ist falsch. Im Gegenteil, verkehrsberuhigte Zonen beleben den Einzelhandel. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), das mehrere Groß- und Mittelstädte in den Blick nahm.

Der Fokus lag dabei auf den wirtschaftlichen Effekten verkehrsreduzieren-der Maßnahmen. Der zentrale Befund: In fast allen untersuchten Fällen profitieren die Geschäfte von einer attraktiveren, verkehrsberuhigten Umgebung. Wenn der Straßenraum für Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzer attraktiver wird, steigt die Besucherfrequenz – und mit ihr der Umsatz. Denn Menschen, die sich zu Fuß oder mit dem Rad durch die Stadt bewegen, halten häufiger an, schauen in Schaufenster, kehren ein oder kaufen spontan ein.

Für ihre Studie haben die DiFu-Forscher empirische Studien aus dem In- und Ausland analysiert. Die wichtigste Erkenntnis: Es gibt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Einzelhandels.

„Die Studien und Praxisberichte zeigen vielmehr: Ein attraktiver öffentlicher Raum zieht Menschen an, lädt zum Bummeln und Verweilen ein und kommt damit auch dem Einzelhandel zugute“, sagt Difu-Studienleiterin Michaela Christ.

Verkehrsberuhigung wirkt

  • höhere Aufenthaltsqualität durch weniger Lärm, mehr Grünflächen und Sitzgelegenheiten mehr Laufkundschaft durch bessere Zugänglichkeit
  • geringere Mietensteigerungen als in stark befahrenen Straßen
  • positive Wahrnehmung des Stadtbilds durch Anwohner und Touristen

Zwar geben Radfahrer und Fußgänger pro Besuch weniger Geld aus als ihre Autofahrer. Dafür kaufen erstere häufiger ein und bringen damit dem Einzelhandel einen höheren Umsatz. Voraussetzung für den Erfolg ist ein durchdachtes Konzept, das alternative Mobilitätsformen stärkt und gleichzeitig die Zugänglichkeit für alle Gruppen gewährleistet. Neben einem attraktiven ÖPNV und den Ausbau von Fuß- und Radwegen stellt die Parkraumbewirtschaftung ein weiteres Instrument für die innerstädtische Verkehrswende dar.

Times Square

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Pilotprojekt am Times Square in New York: Im Jahr 2009 sperrte die Verkehrsbehörde NYC DOT in fünf Blöcken der Broadway-Achse den Autoverkehr und installierte temporäre Sitzelemente. Und plötzlich machte der Times Square machte seinem Namen alle Ehre. Er lud zum Verweilen ein: „Take your time“, zu Deutsch „Lassen Sie sich Zeit“. Aus dem Pilotprojekt wurde eine dauerhafte Umgestaltung mit breiten Fußgängerzonen, Radwegen und Aufenthaltsflächen.

Illustration: Gamma.AI

Wo einst hupende Taxis und dichter Verkehr das Bild prägten, laden seitdem breite Gehwege, Sitzinseln und Kunstaktionen zum Verweilen ein. Nach der Umgestaltung stieg die Zahl der Passanten deutlich – und mit ihr die Umsätze der umliegenden Geschäfte. Die Fußgängerzone entwickelte sich zum Magneten für Touristen, Einheimische und Beschäftigte. Die Aufenthaltsqualität stieg, Events und Märkte Platz, und die lokale Wirtschaft profitierte unmittelbar von der gesteigerten Besucherfrequenz.

Die Fußgängerzone entwickelte sich zu einem Magneten für Touristen, Einheimische und Beschäftigte. Die Aufenthaltsqualität stieg, es fanden Events und Märkte Platz, und die lokale Wirtschaft profitierte unmittelbar von der gesteigerten Besucherfrequenz.

Deutsche Städte folgen

Auch in Deutschland zeigen Städte wie Konstanz oder Leipzig, dass sich eine Neuausrichtung lohnt. Nach der Sanierung zentraler Plätze, der Verbesserung von Rad- und Fußwegen bzw. der Einrichtung autofreier Zonen in der Innenstadt konnte der Einzelhandel dort nicht bestehen bleiben, sondern teilweise sogar wachsen. Die Innenstadt wurde für neue Zielgruppen attraktiver, vor allem für Familien und ältere Menschen.

„Um von den Vorteilen der Verkehrsberuhigung zu profitieren, sollten sich Einzelhandel und Interessenverbände dafür stark machen, dass positive Beispiele der Verkehrsberuhigung in ihrer Kommune aufgegriffen und an die jeweilige städtische Situation angepasst werden. Für den Erfolg sind zudem passende Beteiligungsmaßnahmen und professionelle Kommunikation wichtig“, lautet der Rat von Michaela Christ.

Quellen:
Deutsches Institut für Urbanistik (2025): „Verkehrsberuhigung und Einzelhandel – Dann wird’s laut“
Deutsches Institut für Urbanistik (2024): „Wirtschaftliche Effekte von Verkehrsberuhigung im urbanen Raum“
New York City Department of Transportation (NYC DOT): Times Square Transformation Reports
Stadt Leipzig, Amt für Verkehrs- und Tiefbauplanung (2023)

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