Fernsehwerbung bevorzugt jüngere Menschen. Vor allem werden allem Frauen ab 45 kaum gezeigt.
In der deutschen Fernsehwerbung spielen Frauen über 45 kaum eine Rolle, obwohl sie die größte Gruppe in der Bevölkerung darstellen.
Illustration: Gamma

TV-Werbung: Frauen über 45 unsichtbar

09.07.2025

In der Fernsehwerbung treten Frauen zunehmend als Expertinnen, Berufstätige oder sportliche Persönlichkeiten auf, lautet das Ergebnis einer Studie der HTW Berlin. Die Darstellung sexistischer Inhalte und stereotyper Rollenbilder ist rückläufig. Doch Frauen über 45 kommen kaum vor, obwohl sie die größte weibliche Bevölkerungsgruppe stellen.

Dabei prägen Werbefilme als reichweitenstarkes Medium Geschlechterrollen und verstärken gesellschaftliche Normen. Mit anderen Worten, sie beeinflussen, was als typisch männlich oder typisch weiblich gilt. Die Geschlechterdiskriminierung ist laut der der Studienautoren der häufigste Beschwerdegrund beim Deutschen Werberat. Ein Grund mehr die Darstellungen der vergangenen Jahre zu untersuchen.

Für ihre Studie analysierten die Forscher 350 zufällig ausgewählte Werbefilme aus den Branchen Automobil, Finanzen, Lebensmittel, Kosmetik und Telekommunikation, die zwischen 2016 und 2024 ausgestrahlt wurden. Der Fokus lag auf Präsenz, Alter, Erscheinungsbild und Rollenklischees.

Kompetenz und Eigenständigkeit

Das Ergebnis: Der Anteil von Frauen in Werbespots ist von 67 Prozent (2016) auf 77 Prozent (2024) gestiegen. Die klassische Hausfrau verschwindet zunehmend, Expertinnen und Frauen im Freizeitkontext dominieren. „Frauen verkörpern zunehmend Kompetenz und Eigenständigkeit statt Fürsorge und Selbstlosigkeit“, erläutert Studienautorin Merle Matthies.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass sexistische Darstellungen rückläufig sind. Nur noch sieben Prozent der Darstellungen sind sexualisiert. „Ein historischer Tiefstand“, schreiben die Autoren. Das klassische Schönheitsideal mit heller Haut, lange Haaren, schlanker Figur und femininer Kleidung, verliert zwar an Bedeutung. Es kommt jedoch auf die Branche an: In der Kosmetik- und Lebensmittelwerbung bleibt es mit über 70 Prozent präsent. Der Anteil retuschierter, makelloser Frauenbilder sank von 57 Prozent im Jahr (2016) auf 36 Prozent (2024).

Kein echter Wandel

Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt ein echter Wandel aus. Der Grund ist, dass Frauen über 45 weiterhin massiv unterrepräsentiert sind. Ihr Anteil liegt bei nur 15 Prozent, obwohl diese Altersgruppe in der Bevölkerung dominiert. Im Vergleich zu 2016 (10,5 Prozent) ist das zwar ein leichter Anstieg, aber von echter Altersvielfalt kann keine Rede sein. Fazit: TV-Werbung in Deutschland ist zwar auf dem Weg zu mehr Vielfalt und Gleichberechtigung – aber nur für Frauen bis 45. Ältere Frauen bleiben unsichtbar.

Die Autoren haben sich Gedanken gemacht, welche Lösungsansätze hilfreich sein können: Werbetreibende sollten gezielt ältere Frauen in authentischen, vielfältigen Rollen zeigen. Sie sollten als aktive, kompetente und attraktive Persönlichkeiten dargestellt werden und nicht nur als Großmutter oder Randfigur. Klare Vorgaben für Agenturen vonseiten der Auftraggeber, mehr Diversität in Kreativteams und ein kritischer Blick auf die eigene Bildsprache können dazu beitragen, Rollenklischees aufzubrechen bzw. die Realität besser abzubilden.

 

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