Die Zu-/Abnahme des globalen Grundwassers wird mit Hilfe von Satelliten gemessen.
Seit 2018 leidet Europa unter einer Dürre. Die Zu-/Abnahme des Grundwassers wird mit Hilfe von Satelliten gemessen.
Illustration: Andreas Kvas/TU Graz

Europas Grundwasserspiegel sinken

30.01.2023

Seit 2018 herrscht Dürre in weiten Teilen Europas. Seitdem verschlechtert sich die Situation kontinuierlich. Das belegen Daten des Instituts für Geodäsie an der TU Graz: Die Auswertung von Satellitenmessungen hat ergeben, dass der Grundwasserspiegel weiter sinkt. Besonders betroffen sind Deutschland und Österreich.

Wegen seiner fundamentalen Rolle im Wasser- und Energiekreislauf der Erde hat das globale Klimabeobachtungssystem (GCOS: Global Climate Observing System) Grundwasser zu einer wesentlichen Klimavariablen (ECV) erklärt. Zwar existiert mit Copernicus ein europäisches Erdbeobachtungsprogramm, aber dessen Dienste liefern keine Daten zu dieser lebenswichtigen Ressource.

Weltweit existiert keine andere Datenquelle, die Informationen über die Veränderungen der Grundwasserressourcen auf Grundlage von Beobachtungen und mit globaler Abdeckung bereitstellt. Diese Lücke will das G3P-Konsortium (Global Gravity-based Groundwater Product), ein Zusammenschluss von Forschungsinstituten und Unternehmen.

Satelliten messen Erdschwerefeld

Das Besondere an G3P ist, dass im Wesentlichen auf Daten aus dem All und nicht auf Simulationen basiert. Die notwendigen Daten liefern die Satelliten GRACE und GRACE-FO, alias Tom und Jerry, die in einem bestimmten Abstand und in 450 km Höhe hintereinander herfliegen und eigentlich das Schwerefeld der Erde vermessen.

Große Massen wie Berge beschleunigen die Satelliten. Das führt dazu, das derjenige Satellit der zuerst über den Berg fliegt, also Jerry, kurzfristig beschleunigt. Für einen Moment vergrößert sich der Abstand zwischen den beiden. Sobald der Berg überflogen ist, bremst Jerry wieder ab, während Tom, der dann den Berg überfliegt, kurzfristig beschleunigt. Haben beide den Berg passiert, hat Tom den ursprünglichen Abstand von 220 km zwischen beiden wieder hergestellt.

Da die Masse auf und in der Erde nicht homogen verteilt ist – dazu gehört auch das auf und unter der Erde gespeicherte Wasser -, ändert sich deren Anziehungskraft und dementsprechend ständig auch die Geschwindigkeit der beiden Satelliten bzw. der Abstand zwischen Tom und Jerry. Die Änderung der Distanz wird auf Haaresbreite genau (das entspricht ca. 50 Mikrometer) gemessen.

Räumliche und zeitliche Variationen

Mit einer Fluggeschwindigkeit von 30.000 km pro Stunde, schafft das Satellitenpärchen täglich 15 Erdumläufe. Um die Erdoberfläche komplett zu erfassen, benötigt es einen Monat. GRACE/GRACE-FO sind damit in der Lage, räumliche und zeitliche Variationen der Gesamtwasserspeicherung auf allen kontinentalen Gebieten der Erde zu beobachten. Auf Basis dieser Daten können die Forscher der TU Graz monatlich das Erdschwerfeld bestimmen.

Nicht nur der Rechenaufwand ist ziemlich groß, wie der beteiligte Forscher und Hochschullehrer Torsten Mayer-Gürr von der TU Graz hinweist: „Wir haben alle fünf Sekunden eine Abstandsmessung und damit etwa eine halbe Million Messungen pro Monat. Daraus bestimmen wir dann Schwerefeldkarten.“

Gesamtwasservorkommen bekannt

Mit den Schwerefeldkarten verfügen die Wissenschaftler über die monatliche Veränderung Gesamtmasse. Mittels einer Subtraktion könnten sie die Grundwasservorkommen bestimmen. Dabei werden die Wasservorkommen von Gletschern, Schnee, Bodenfeuchte und Oberflächengewässern vom Gesamtwasservorkommen abgezogen. Die meisten der erwähnten Wasserspeicherdaten liefern die am Projekt beteiligten Forschungsinstitutionen, beispielsweise das Geoforschungszentrum Potsdam, die Universitäten Bern und Zürich oder das Finnische Meteorologische Institut. Deren Daten beruhen auf Satellitenbeobachtungen und teilweise auf Simulationsergebnissen hydrologischer Modelle.

Seit 2002 vermessen die Forscher das Erdschwerfeld und können damit die Zu- bzw. Abnahme des Grundwassers grob messen. Die jüngsten Ergebnisse sind besorgniserregend: „Unsere Auswertungen zeigen, dass das Grundwasservorkommen seit 2018 sinkt. Die Speicheränderungen 2018/2019 liegen deutlich unter dem Mittelwert der Zeitreihe. 2020 gab es ein noch größeres Minus, und 2022 war der Grundwasserstand noch niedriger“, berichtet Torsten Mayer-Gürr.

Wassermanagement notwendig

Aufgrund des Klimawandels werden Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, aber auch Starkregen in ihrer Häufigkeit zunehmen. „Ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass Wasser hier in Europa einmal ein Problem sein könnte, vor allem in Deutschland oder Österreich. Wir kriegen hier tatsächlich Probleme mit der Wasserversorgung, da müssen wir uns Gedanken machen.“

Im Klartext: Das Wassermanagement sollte entsprechend angepasst werden. Vor allem aber müssen die C02-Emissionen schnell und deutlich gesenkt werden.

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