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Pestizide zum Frühstück: Müsli und Mehl mit Ewigkeitschemikalien belastet
05.12.2025
In Getreideprodukten wie Müsli, Keksen, Nudeln und Mehl stecken Rückstände der „Ewigkeitschemikalie“ Trifluoressigsäure (TFA), einem Abbauprodukt sogenannter PFAS-Pestizide. Das hat eine Untersuchung im Auftrag des Europäischen Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN) ergeben. In über 80 Prozent der getesteten Produkte wurden Rückstände nachgewiesen. Bislang wird TFA von den Lebensmittelbehörden nicht überwacht. Die Studie ist die erste, die Produkte aus verschiedenen EU-Ländern auf diesen Stoff hin untersucht hat.
Für die PAN-Studie haben Labore 66 Getreideprodukte aus 16 EU-Mitgliedstaaten untersucht. Darunter waren Müsli, Süßigkeiten, Nudeln, Croissants, Vollkorn- und Weißbrote sowie Mehl. In mehr als vier von fünf Proben, also in knapp 82 Prozent wurden TFA-Rückstände gefunden. Die durchschnittliche TFA-Konzentration betrug rund 80 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg). Zum Vergleich: Der EU-Standard-Grenzwert für Pestizide liegt bei zehn mg/kg. Für TFA hat die EU keinen Grenzwert festgelegt.
Die Spitzenwerte bei den PAN-Proben betrugen mehrere hundert µg/kg. Letztere liegen mehr als 100 mal höher als die ohnehin schon hohen TFA-Werte, die in Regen-, Grund- und Trinkwasser gefunden wurden. Besonders hoch ist der TFA-Gehalt in Weizen. Das bedeutet, neben Trinkwasser tragen Lebensmittel und hier vor allem Getreideprodukte besonders stark dazu bei, dass sich PFAS bzw. dessen Rückstände im Körpergewebe anreichern.
Herkömmliche Produkte sind mehr als dreimal so stark kontaminiert wie Bio-Produkte, wie die österreichische Umwelschutzorganisation und PAN-Mitglied „Global 2000“ herausgefunden hat.
„Der TFA-Gehalt, insbesondere in Brot und Nudeln, ist sehr besorgniserregend und erfordert sofortige Maßnahmen, um weitere TFA-Emissionen in die Umwelt zu verhindern. In herkömmlichen Getreideprodukten waren die durchschnittlichen Werte so hoch, dass ein Gesundheitsrisiko für Kinder nicht mehr ausgeschlossen werden kann“, warnt Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000.
Gesundheitsschädliche Substanzen
Zur PFAS-Familie (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) gehören mehr als 10.000 Substanzen. Sie kommen in der Natur nicht vor und werden industriell hergestellt. Weil PFAS-Verbindungen extrem stabil sind, werden sie für wasser- und fettabweisende Papiere sowie wasserabweisende, atmungsaktive Funktionstextilien verwendet. Die Substanzen finden sich ebenfalls in Feuerlöschschäumen, als Schmiermittel in Industrieprozessen oder werden als Pestizidwirkstoffe eingesetzt.
Durch das breite Einsatzspektrum gelangen PFAS auf Äcker, in Böden, Grund- und Oberflächenwasser und schließlich über Pflanzen in Lebensmittel. Sie sind überall zu finden: in Regen, Flüssen, Böden, Luft, in Tieren, im menschlichen Blut und Organen.
Das PFAS-Abbauprodukt, TFA, ist dabei besonders mobil, langlebig und wasserlöslich. Dadurch gelangt es in den Wasserkreislauf. Wie Studien ergaben, tragen eine Reihe von PFAS-Chemikalien zu Leber- und Schilddrüsenveränderungen, geschwächtem Immunsystem, erhöhtem Cholesterin, schädlichen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit sowie Entwicklungsstörungen bei Kindern bei. Einige der Substanzen stehen zudem im Verdacht, Krebsrisiken zu erhöhen.
Herstellungsstop gefordert
Auf EU-Ebene gibt es seit 2023 Höchstgrenzen für einige „klassische“ PFAS in tierischen Lebensmitteln wie Eiern, Fisch und Fleisch. Für TFA und PFAS in Getreideprodukten fehlen jedoch spezifische Grenzwerte. Datenaufbereitung und Bewertung sind noch im Aufbau.
Forscher und Umweltverbände fordern ein Verbot PFAS-haltiger Pestizide, eine Regulierung der gesamten Substanzfamilie sowie verbindliche Höchstgehalte auch für Getreide. Technisch lassen sich PFAS aus Wasser etwa mit Aktivkohle, Ionenaustauschern und Membranfiltern entfernen. Dies ist jedoch kostspielig, außerdem entstehen PFAS-haltige Konzentrate, die dann umweltgerecht entsorgt werden müssen. Für Böden sind bislang vor allem das Ausbaggern, die Deponierung oder die thermische Behandlung möglich. Neue Materialien und biologische Abbauverfahren stehen derzeit nicht zur Verfügung.
Deshalb plädieren Umweltorganisationen dafür, PFAS gar nicht erst einzusetzen. Eine PFAS-arme Landwirtschaft könnte ökologische Anbaumethoden stärken, Einträge über Bewässerung und Klärschlamm begrenzen und dichte Kontrollnetze etablieren. Damit das Frühstück künftig Energie statt Ewigkeitschemikalien liefert.
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