Kernfusion: Energierekord, aber (noch) kein Energiegewinn
08.02.2024
69 Megajoule (MJ) aus 0,2 Milligramm Brennstoff hat ein europäisches Forschungsteam während einer fünfsekündigen Plasmaentladung am Fusionskraftwerk Jet (Joint European Torus) erzeugt. Damit haben die Beteiligten die bisher höchste Energieausbeute in ihren Experimenten erreicht. Allerdings, betonen die Forscher, haben sie damit keine positive Energiebilanz erzielt. Denn sie mussten mehr Energie für die Plasmaerzeugung aufwenden, als sie an Fusionsenergie gewinnen konnten.
Der aktuelle Energierekord entspricht der Energie, die bei der Verbrennung von 2 Kilogramm Kohle freigesetzt wird, schreiben die Autoren der Eurofusion-News. Nach Angaben der Verantwortlichen ist Jet „das größte und erfolgreichste Fusionsexperiment der Welt“. Das Fusionskraftwerk befindet sich auf dem Campus der britischen Atomenergiebehörde (UK Atomic Energy Authority, Ukaea) bei Oxford (Großbritannien) und wird von über 300 Fusionsforschern und Ingenieuren als gemeinsame europäische Einrichtung genutzt.
Im Prinzip versuchen die Wissenschaftler die Prozesse in der Sonne im kleineren Maßstab nachzubilden: Auf unserem Zentralgestirn verschmelzen bei extrem hohen Temperaturen leichte Atomkerne (Kernfusion) und geben dabei Licht und enorme Energiemengen ab.. Im Prinzip versuchen die Wissenschaftler die Prozesse in der Sonne im kleineren Maßstab nachzubilden: Auf unserem Zentralgestirn verschmelzen bei extrem hohen Temperaturen leichte Atomkerne (Kernfusion) und geben dabei Licht und enorme Energiemengen ab.
Magnetischer Einschluss
Beim Jet-Kernfusionsreaktor entsteht ein Plasma, ein fluides Gemisch aus Ionen, freien Elektronen, Atomen oder Molekülen. Ein Magnetfeld verhindert, dass die umherfliegenden, geladenen Teilchen mit den Metallwänden der Anlage kollidieren und das Plasma dadurch abkühlt. Mindestens zweimal (2022 mit 59 MJ und 1997 mit rund 23 MJ) haben die Wissenschaftler Rekordergebnisse vermeldet, der aktuelle Rekord wurde im Oktober 2023 aufgestellt.
Forschung und Industrie erhoffen sich von der Kernfusion eine saubere Grundlastquelle für Wärme und Elektrizität. Im Gegensatz zur Kernspaltung setzt sie keine Kettenreaktion in Gang und erzeugt auch keine langlebigen Abfälle. Außerdem werden nur geringe Mengen an Brennstoff benötigt. Dieser kann zudem aus kostengünstigen Materialien gewonnen werden.
Die bei Jet eingesetzten Isotope Deuterium und Tritium sind die beiden schwereren Varianten des Wasserstoffs. Zusammen besitzen sie die höchste Reaktivität aller Fusionsbrennstoffe. Bei einer Temperatur von 150 Millionen Grad Celsius verschmelzen Deuterium und Tritium zu Helium und setzen dabei enorme Mengen an Wärmeenergie frei, ohne Treibhausgase zu erzeugen. Die extrem hohen Temperaturen sind notwendig, damit die positiv geladenen Kerne ihre gegenseitige Abstoßung überwinden und verschmelzen.
Umweltfreundliche Energiegewinnung
Beim Jet-Experiment ging es aber weniger um Rekorde bei der Energieausbeute: „JET kam den Bedingungen eines Kraftwerks so nah, wie es mit heutigen Anlagen möglich ist…“, erläutert Ian Chapman, Direktor der Ukaea. Er spricht in der Vergangenheitsform, denn Ende Dezember 2023 wurde der wissenschaftliche Betrieb eingestellt. Den Beteiligten war wichtig, verschiedene Szenarien für einen später zu realisierenden Plasmareaktor und dessen Betrieb zu testen. „Ein positiver Aspekt war aber, dass auch die Experimente von vor zwei Jahren erfolgreich reproduziert und sogar übertroffen werden konnten“, erklärt Athina Kappatou vom beteiligten Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (Garching).
Mit Magnetfusionsexperimenten (Jet und andere) ist eine positive Energiebilanz derzeit nicht möglich. Dazu werden größere Anlagen benötigt. Die Ergebnisse der Jet-Forschung sind aber von Bedeutung für die Iter-Anlage – dem großen Projekt der internationalen Fusionsforschung, das in Südfrankreich gebaut wird – sowie für das europäische Demonstrationskraftwerk Demo und andere weltweite Fusionsprojekte. Allen gemeinsam ist das Ziel, die Energieerzeugung eines Tages auf eine kohlenstoffarme und umweltfreundliche Basis zu stellen.
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