Repowering in Nordfriesland: Dabei werden Windenergieanlagen der ersten Generation durch moderne Turbinen ersetzt. Dadurch wird die Zahl der Anlagen halbiert und Stromertrag um das Dreifache gesteigert.
Foto: Dirkshof/BWE

Zielkonflikte und fehlende Moderation bremsen Windradausbau

18.04.2024

Seit sechs Jahren stagniert der Ausbau von Windenergieanlagen in Deutschland: Die Gründe sind laut einer Studie vielfältig: Fehlende politische Steuerung, konkurrierende Interessen, Konflikte zwischen Klima-, Landschafts- und Artenschutz, mangelnde Wirtschaftlichkeit und Flächenverfügbarkeit ergeben ein komplexes Konfliktfeld. Dabei, so der Vorschlag, ließen sich mit interdisziplinären Ansätzen und konstruktiver Kommunikation gesellschaftliche Aushandlungsprozesse moderieren.

Zwar hat die Bundesregierung nachgebessert: Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und im Windenergie-auf-See-Gesetz hat sie feste Ausbauziele für die kommenden Jahre formuliert:

  • Bis 2030 soll sich die Leistung von Windkraftanlagen auf 145 Gigawatt (GW) mehr als verdoppeln.
  • Bis 2045 soll die Windkraft dann 230 GW erreichen.

Auch sollen die Bundesländer zwei Prozent ihrer Flächen zur Verfügung stellen. Doch die Realität ist eine andere. Der Ausbau verläuft schleppend. Das historisch gewachsene Nord-Süd-Gefälle wird durch den geringen Zubau im Süden und den kontinuierlichen Ausbau im Norden (und hier v.a. in Schleswig-Holstein) weiter verstärkt.

Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) belief sich der kumulierte Gesamtbestand Ende 2023 auf 28.677 Anlagen mit einer Leistung von 61 GW. Bei den Neuausschreibungen für 2024 sieht es nicht besser aus: Das ursprüngliche Ausschreibungsvolumen sah 12.840 Megawatt (MW) vor, gezeichnet wurden knapp 6400 MW.

Interessenpluralismus

Vor allem der Ausbau an Land kommt nicht wie erhofft voran. Tatsächlich stagniert er seit 2018, hat Juliane Biehl festgestellt. Für ihre Dissertation hat die Wissenschaftlerin von der TU Berlin untersucht, wie sich der Ausbau in den vergangenen sechs Jahren entwickelt hat: Im Jahr 2019 gingen lediglich 282 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 1000 MW ans Netz. Zum Vergleich: In den Jahren 2014 bis 2017 wurden jährlich rund 4000 MW installiert.

Die Expertin für Umweltplanung nennt auch die Gründe für den zögerlichen Ausbau. Zum einen fehle die planerische Steuerung auf Bundesebene. Zum anderen seien in Bereich der Windenergie an Land staatliche, nichtstaatliche und private Akteure mit unterschiedlichen Interessen auf verschiedenen Ebenen aktiv.

Zielkonflikte

Zu ihnen gehören Energie-, Windenergie-, Umwelt- und Naturschutzverbände, Bürgerinitiativen, Wissenschaftler, Denkwerkstätten, Genehmigungs- und Planungsbehörden auf kommunaler und Landesebene, Wasser- und Naturschutzbehörden sowie Ministerien auf Bundesebene. Ihre Ziele seien legitim, aber zum Teil auch widersprüchlich. „Für die Befürworter der Windenergie ist diese eine treibhausgasneutrale Stromerzeugung und damit auch eine Antwort auf den mit dem Klimawandel einhergehenden Artenverlust. Naturschutzverbände hingegen sehen Windräder als mitverantwortlich für den Verlust geschützter Arten“, führt Juliane Biehl als Beispiel auf.

Eigentlich sollten die Akteure kooperieren. Tatsächlich versuchten sie, Maximalforderungen durchzusetzen, statt Kompromisse zu suchen. „Was fehlt, ist eine Kultur der Einsicht, dass im Pluralismus der Interessen die eigenen Ziele niemals zu 100 Prozent durchsetzbar sind, es für jeden Konflikt nicht immer ‚die eine Lösung‘ gibt und Unsicherheiten akzeptiert werden sollten“, erläutert die Ingenieurin. Um Kontroversen aufzulösen, schlägt sie vor, konstruktive Kommunikationsstrategien und interdisziplinäre Ansätze zu verfolgen, damit die sozialen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse moderiert werden können.

Rohstoffabbau schadet Umwelt

Allerdings gebe die jetzige Regierung (noch) keine Antwort auf die Frage, woher die Rohstoffe kommen sollen, um die Stromerzeugung durch Wind massiv zu erhöhen. Werde mit Wasserstoff produzierter Stahl für Windräder verfügbar sein? Woher sollen die seltenen Erden kommen, die für den Betrieb der Windräder notwendig sind?

Ihr Abbau und ihre Beschaffung, gibt sie zu bedenken, sind mit schwerwiegenden ökologischen sozialen Folgen verbunden. Dazu gehörten der Einsatz von Chemikalien, Wasserverschmutzung oder -verknappung, Landraub, Gesundheitsschäden und Bodendegradierung. Die Energiewende brauche eine ehrliche Diskussion darüber, dass jede Form der Energieerzeugung negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt habe.

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